Frauen-Power auf kleinstem Raum

Brauerei Friedmann Gräfenberg installiert Vollinspektion von Nagel Automationstechnik

„Wir sind klein, aber oho!“, sagt Sigi Friedmann, die 1982 ihre gleichnamige Brauerei in Gräfenberg in der fränkischen Schweiz, nördlich von Nürnberg, vom Vater übernahm. Sie behauptete sich erfolgreich gegen sämtliche Vorurteile der männlichen Kollegen. Ein ganz wichtiger Faktor dabei: „Wir haben ständig modernisiert.“ So auch jetzt wieder mit dem neuen Leerflaschen-Vollinspektor von Nagel aus Kaufungen.

Vor dem Bier floss der Schweiss

Christoph Friedmann übernahm 1875 das „Heldsche Brauhaus“, damals war das Bierbrauen eine Sache für gestandene Mannsbilder mit breiten Schultern. Noch gab es kaum Maschinen, Hopfen, Malz und Wasser mussten mit schierer Muskelkraft ins richtige Verhältnis gebracht werden. Die am Kühlschiff abgekühlte dunkle Würze, die damals als einzige Sorte gebraut wurde, schleppte man in Butten mühsam zum Vergären und Lagern in die Keller am Jägersberg. Vor dem Bier floss also der Schweiß in Strömen. Die Gerste für das Friedmannsche Bier baut der Familienbetrieb in einer zugehörenden Landwirtschaft gleich selber an.

Durchgesetzt gegen Vorbehalte

1909 beginnt die 50-jährige Ära von Georg Friedmann, der Ende der 1920-er Jahre am Jägersberg, wo sich bereits die Keller befinden, neu baute. Revolutionäre Apparate, wie zum Beispiel eine Kühlmaschine, halten Einzug in das Brauhandwerk. Nun konnte in Gräfenberg ganzjährig produziert werden. Sein Sohn Ludwig, seit 1959 Chef am Jägersberg, stellt auf Alu-Tanks um, baut ein neues Sudhaus und gibt die Landwirtschaft auf. Doch Ludwig hatte keinen männlichen Nachwuchs. Tochter Sigi, heute 60, schlägt von vielen Seiten Skepsis entgegen, als sie als Doemensianerin 1982 ihren Vater in der Firmenleitung ablöst. Dabei war die jüngste Braumeisterin Deutschlands eine Musterschülerin und schnitt bei der Prüfung besser ab als viele männliche Kollegen. „Für mich war klar, wir können nur überleben, wenn wir traditionell, aber mit moderner Technik unser Bier sieden, brauen und abfüllen“, sagt Friedmann. Neben einigen neuen Bieren erneuerte sie daher sukzessive das Sudhaus mit einer Ausschlagmenge von 42 Hektolitern, den Gärkeller mit den vier offenen Bottichen, in jeden passt ein Sud und die Sudhaussteuerung. Neu ist auch der Lagerkeller, tief in den Fels hineingeschlagen, 27 Tanks zu jeweils 40 Hekto Bier warten hier bei natürlicher Kühlung sechs bis acht Wochen auf die Abfüllung. Nun sollte auch der Flaschenkeller auf den neuesten Stand gebracht werden – doch der ist nur fünf Meter breit und gut zehn Meter lang.

Zwei Tage sieden und ein langer Abfülltag

Jeder Hersteller, bei dem wir anfragten, sagte, der Keller sei viel zu klein, zudem unsere Leistung so gering, da würde es sich gar nicht lohnen für sie“, berichtet Barbara Friedmann-Merkel (36). Die Tochter von Sigi hat als Weihenstephaner Diplom-Braumeisterin und Betriebswirtin im Jahr 2016 die Brauerei offiziell übernommen. Vier Biere werden das ganze Jahr gebraut: das „Fränkische Landbier“, ein Pils, der dunkle und malzige „Ritter Wirnt Trunk“ sowie die Gräfenberger Weisse. Hinzu kommen von April bis Oktober „Sigis Lager“ und von November bis Januar das kräftige Festbier. Das helle Landbier hat sich mittlerweile zur stärksten Marke entwickelt. Von Craft-Bier halten Mutter und Tochter nichts, da könne durch immense Hopfengaben oder stark aromatisierten Hopfen jeglicher Fehler überdeckt werden, „wir brauen unsere ehrlichen Biere mit regionalen Rohstoffen. Craft-Bier kann jeder, ein gutes Helles, da zeigt sich der Könner.“ Die Friedmanns sieden immer am Montag und Dienstag, jeden Tag zwei Sude. Am Mittwoch wird alles geschlaucht und vorbereitet für die Abfüllung am Donnerstag. „Da starten wir morgens um fünf Uhr und das geht dann immer bis spät in die Nacht“, sagt Friedmann-Merkel.

Auch im kleinen Flaschenkeller höchste Qualität

Sie ärgerte sich am meisten darüber, wie hochnäsig einige Maschinenbauer sich verhalten hätten. „Wer nur einmal die Woche füllt, für den lohnt sich doch keine moderne Maschine“, hörte sie immer wieder. „Wir wissen, dass wir beengt sind, gar nicht mehr als die gut 6000 Hektoliter im Jahr wegen der Gärkeller- und Lagerkellerkapazität brauen können. Aber das wollen wir dann eben auf höchster Qualitätsstufe machen.“ Sie geben für ihre Biere nur ein MHD von acht Wochen, „denn filtriert wird bei uns einmal mit Kieselgur, mehr nicht. Wir erhitzen oder stabilisieren nichts – dann müssen die eingesetzten Maschinen auch auf höchstem Niveau sein“, sagt Mutter Siggi Friedmann. Tochter Babsi fügt an, „wer unsere Kiste nicht in zwei Monaten leertrinkt, der soll Tee saufen!“ Nach einigem Suchen fanden die Friedmanns Lieferanten, die „passende“ Maschinen für die Brauerei im Angebot hatten oder extra bauten: eine Waschmaschine von „Pac Global“, ein Füller und Verschließer von „Markl“, der Etikettierer von „Gernep“, der Flascheneinpacker von „Mühlbauer“. „Dann fehlte uns eben noch ein guter Inspektor. Wir hatten zuvor keinen, doch durch Berichte in der Fachpresse und Gespräche mit Kollegen und Kolleginnen kamen wir sehr schnell auf das Unternehmen Nagel. Und das war die für uns absolut richtige Entscheidung“, sagt Friedmann-Merkel.

Geht nicht, gibt’s nicht

Vom Inspektions-Spezialisten Nagel aus Kaufungen wurde nach Gräfenberg eine Vollinspektion mit Boden-, Mündungs-, doppelter Seitenwandkontrolle und HF-Laugenkontrolle geliefert. Die ausgelegte Leistung der Maschine beträgt 8.000 Flaschen in der Stunde, bei einer durchschnittlichen Füllgeschwindigkeit von gut 4000 Fl./h bei den beiden verwendeten Flaschensorten 0,5l Euro und 0,33l Gourmet bei den Friedmanns gibt es also noch genügend Luft nach oben. Wie gewohnt konnte Nagel seine Maschine auf einer Aufstellungsfläche von rund einem Quadratmeter platzieren, so passte sie auch perfekt in den kleinen Flaschenkeller hinein. Um allerdings die Maschine durch eine nur zwei Meter schmale Türe zu befördern, bauten die Nagel-Ingenieure das Unterteil in zwei Hälften auf. So brachten sie es an Etikettierer und Waschmaschine vorbei, wo dann beiden wieder zusammengefügt wurden Hälften und der Inspektor seine normale Höhe von rund 2,40 Meter erreichte. Es mussten zur Einbringung also keine Wände gestemmt werden, jedoch wegen der der minimalen Aufstellungsbedingungen veränderte Nagel das Antriebskonzept der Bänder um die Maschine herum.

Kompakt, flexibel und sicher

Schon seit über 25 Jahren hat sich Joachim Nagel auf Leerflaschen-Inspektionsmaschinen spezialisiert. Schnell entschieden sich zahlreiche Getränke- und Lebensmittelbetriebe für den neuen Nagel-Lösungsansatz: vollständig transparenter Rohrunterbau, Flächen für mögliche Schmutzablagerungen sind weitestgehend beseitigt und damit ein modernes Hygienedesign verwirklicht. Eine insgesamt extrem kompakte Maschine, die auf kleinstem Raum mit modernster Kameratechnik Sicherheit und Flexibilität bietet. Die vereinzelten Flaschen laufen bereits kurz nach der Waschmaschine auf dem Transportband in die Inspektionsmaschine ein und werden dort von einem hochwertigen Kontrollsystem mit Ethernet CCD-Kameras und verschleißfreier LED Technik als Beleuchtung überprüft.

Sämtliche Probleme am Boden und der Seitenwand erkennen

Zunächst wird der sensible Bodenbereich mit höchster Genauigkeit auf Beschädigungen und Verunreinigungen kontrolliert, dabei jegliche Fremdkörper am Flaschenboden erkannt. Auch bekannte und typische Probleme, wie Hefereste, Zigarettenfolien, zusammengedrückte Kronenkorken oder Spritzen werden sicher detektiert. Der nächste Schritt ist die mehrfache Überprüfung der Seitenwände auf Beschädigungen und Verschmutzungen. Diese Kontrolle erfolgt über die volle Flaschendrehung, wobei je nach Flaschendurchmesser vier bis zehn Aufnahmen erstellt und ausgewertet werden: Trinkhalme, Maurerdreck, Etikettenreste oder Schimmel werden so sicher festgestellt.

Hochleistungs-Kameras und Speziallösungen

Sehr wichtig im Zeichen der Produktsicherheit sind unversehrte Mündungen. Weitere Hochleistungs-Kameras erkennen defekte oder ausgebrochene Flaschenmündungen. Eine Verletzungsgefahr wird so ausgeschlossen, gleichzeitig aber auch ein undichtes Verschließen und Produkt-Verderben. Für Restflüssigkeit, Lauge und organische Flüssigkeiten hat Nagel Speziallösungen gefunden: Selbst geringe Mengen an Restflüssigkeit oder Lauge erkennt das System mittels Hochfrequenz Sender-Empfänger-Messprinzip. Zum Aufspüren von organischen Flüssigkeiten, wie etwa Öle, wird ein Infrarot-Messverfahren eingesetzt.

Zweites Kontroll-Panel

Nach einer Wendung des Transportbands um 90 Grad fahren die kontrollierten Flaschen aus der Inspektionsmaschine hinaus. Sämtliche Fehler, Beschädigungen oder Verunreinigungen, die vom System erkannt wurden, führen zu einer zuverlässigen Aussortierung. Die aussortierten Flaschen werden bis zur Aufgabe der Waschmaschine zurück transportiert, dort manuell vor einem Beleuchtungsschirm kontrolliert und gegebenenfalls wieder in die Waschmaschine eingeführt. „Wir werden demnächst noch ein zweites Kontroll-Panel neben der Waschmaschine installieren, so können wir den Inspektor von dort aus sehen und steuern, damit kann eine Person die gesamte Linie fahren“, sagt Barbara Friedmann-Merkel. Zwischen Inspektor und Füller besteht noch ein Stauraum. Um keine Stopps beim Füller wegen aussortierter Flaschen zu bekommen, wurde in den Inspektor eine Steuerung zur automatischen Aufholung in Verbindung mit jeder aussortierten Flasche installiert.

Kundenbindung trotz Corona

„Durch Corona wurden unsere zehn Gaststätten, die wir beliefern geschlossen. Das haben wir mit unserem Rampenverkauf gut aufgefangen. Das Festbier, das wir zu Gräfenbergs Jubiläum 2021 brauten, das haben wir verschenkt, bevor wir es weggekippt hätten. Jeder konnte mit Gläsern, Eimern oder Wannen kommen und sich Bier holen. Das kam super an, das spüren wir bis heute“, berichtet die Brauerei-Chefin. Um die hohe Qualität auch unter engen Produktionsbedingungen und mit wenig Mitarbeitern halten zu können, dafür modernisiert die Brauerei immer wieder. „Einen ganz wichtigen Part spielt dabei die Nagel-Inspektionsmaschine. Vom ersten Tag an lief die perfekt, die ausgeschleusten Flaschen entsprechen genau dem, was wir vorgegeben haben. Daher sind wir mit dieser Investition absolut zufrieden“, sagen die beiden Friedmann-Damen. „Wir brauen hier wie vor 100 Jahren – aber mit modernster Technik und ganz viel Frauen-Power!“